Eine lange Reise auf einem absteigenden Ast, bzw. absteigenden Zug.

Endlich da!

Bahnhofhalle in Budapest
Irgendwann heute Morgen um 9.30h waren wir nach einer langen Nacht im Schlafwagen endlich in Budapest. Es ist noch ein spannendes Gefühl, wenn das Bett unter einem auf - und ab schaukelt, mir wäre lieber gewesen hin und her, aber manchmal kann man es sich halt nicht auslesen. Die Laune des Schlafwagenschaffners war am Morgen auch nicht besser, er habe nur zwei Stunden geschlafen hat er mir gesagt. Aber wenn man mit den Leuten freundlich ist, sind sie es meist auch, also hat er mir den Kaffee zum Frühstück gratis gegeben, obwohl ich kein Anrecht darauf gehabt hätte, schliesslich war ich ja für den Liegewagen gebucht. Ich habe dann dem Schaffner 1000 Forinth Trinkgeld gegeben um seine Laune doch noch etwas aufzuheitern.
Dann in Budapest angekommen steht man in der wohl eindrücklichsten Bahnhofhalle, die ich je gesehen habe. Hier werden laufend irgendwelche Ansagen gemacht, von denen man nicht nichts, sondern gar nichts versteht, kein Wort, einfach nichts! Das muss an der Sprache liegen, wird sich der geneigte Leser denken, doch
 weit gefehlt auch die englischen Durchsagen waren unverständlich, was solls, Elke wird's dann schon wissen und vor allem richten. 

Der absteigende Zug

Sammelstelle für Wertstoffe Ecke Bahnhofplatz Budapest
Der Schlafwagen war noch so feudal, aber jetzt mussten wir auf den Reisebus umsteigen der uns in irgend eine Provinzortschaft Namens "Hatvan" bringen würde. Also schleppten wir unser Gepäck an den wohl schönsten Orten Budapests kombiniert mit dem outdoor Bahnhofspissoir vorbei (hinter den Bäumen, die gleich neben der Sammelstelle für Wertstoffe stehen). Ich lade Euch nur ein Bild hoch, den Geruch habe ich gelöscht, der wäre auch nicht wert weiter verbreitet zu werden. Dann waren da die Reisebusse, drei an der Zahl. Ein Weisser, ein Roter und ein - war er gelb? egal. In den Weissen durften wir nicht einsteigen, auch nicht in den Roten... . Ihr fragt mich wieso?!? Keine Ahnung, es weiss niemand, aber, sagen wir mal, im Gelben haben wir Platz gefunden. Dann sind wir aus der Stadt hinaus gefahren, vorbei an Lost Places, verlassenen Gebäuden, Fabriken, Zeugen des ehemaligen Glanzes. Im Vergleich zum Zustand der Wohnhäuser sind die Verkehrs wege in einem erstaunlich guten Zustand. Unser Chauffeur zeichnete sich nicht gerade mit der grössten Motivation aus. Aus lauter lange Weile friemelte er irgendwelche Kürbiskerne aus ihren Schalen und schaute erwartungsvoll auf den Kern in seiner Hand statt auf den Verkehr auf der Strasse. Aber der Verkehr auf der Strasse wird ja allgemein überbewertet. Nun in Hatvan angekommen konnten wir wieder auf den Zug umsteigen, auf einen Intercity: Zwei Lokomotiven und drei Wagen bei einer topfebenen Topographie. Ich weiss nicht, vielleicht fahren die mit angezogenen Bremsen, allerdings kann das auch nicht sein, denn gequietscht hat es nicht. Über die Sehenswürdigkeiten von Hatvan kann ich nichts berichten abgesehen vom grossartigen Mosaik in der Bahnhofunterführung aus kommunistischer Zeit. Ich habe mir gedacht, ich müsse dies unbedingt posten... .
Intercity- Zug mit drei Wagen und zwei Lokomotiven
Mosaik aus Sovjetzeiten in der Bahnhofunterführung von Hatvan

Der noch weiter abgestiegene Zug

In Szerencs angekommen schreit der Süchtige nach Kaffee und tatsächlich, dort findet man ein Bahnhofbuffet. 
Der Kaffee ist in Ungarn irgendwie anders, hier scheint die Latte-Macciatisierung der Gesellschaft noch nicht Einzug gehalten zu haben. Man bekommt immer nur einen ganz kleinen schwarzen oder einen kleinen mit einem weissen Zeug drin (In Rücksicht auf unsere Landwirte von Sigriswil, die wirklich Milch produzieren, will ich nicht behaupten, das weisse Zeug wirklich Milch sei). Also haben wir uns einen Kaffee hineingezogen und den wirklich schönen Bahnhof von Szerencs angeschaut, bis wir die unterste Schublade von Verkehrsmittel nach Göncruszka bestiegen.
Bahnhofbuffet mit Kaffeezoo zu deutsch: Hier lebt der Kaffee!

Der tiefste Zug...

Also der tiefste Zug vom Niveau und von der Ausstattung her schon, ja. Klar es hätten Holzbänke sein können, man hätte auch mit Dampf fahren können etc. Der Zug von Szerencs nach Gönzruscka ist eine technische Meisterleistung aus Sovjetzeiten, solide Technik unverwüstlich, robust und auf ihre Art genial. So tief vielleicht das technische Niveau dieses Regionalzügleins sein mag (z.B. im Vergleich zu den neusten Bombardierzügen der SBB, die ja als neuwertig und gleichzeitig als fahruntauglich gelten) so hoch ist aber das rangiertechnische Niveau: Also das Bähnlein besteht aus einem Doppeltriebwagen und einem einfachen Triebwagen. Der einfache Triebwagen, der nach Göncruszka fährt, ist bereits in Szerencs Teil der Komposition ist aber abgeschlossen. Also steigen alle Leute in Szerencs in den Doppeltriebwagen ein um dann in .... wieder auszusteigen, dem Rangierschauspiel zuzuschauen und dann in den nun aufgeschlossenen Einzeltriebwagen einzusteigen, kommt noch irgendwer draus, was ich meine?

Endlich in Göncruszka

Nach 20.5 Stunden sind wir nun endlich hier angekommen. Das Göncruszka mag vielleicht etwas abgelegen sein, vielleicht ist es auch nicht gerade das, was der Zentraleuropäer als Grossstadt bezeichnen würde, aber soo schlimm ist es hier nicht. Gerne werde ich morgen einen Vergleich zwischen Göncruszka und Sigriswil wagen und Sie werden sehen, es kann sogar sein, dass Göncruszka Sigriswil in Sachen Infrastruktur sogar überlegen sein könnte, ja es wird ein spannendes Kopf an Kopf rennen zwischen den beiden Orten geben... 


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